Hutten

Hutten
Hụtten,
 
1) Moritz von, Bischof von Eichstätt (seit 1539), * Arnstein 26. 11. 1503, ✝ Eichstätt 6. 12. 1552, Bruder von 2) und Vetter von 3); bemühte sich als Bischof in Eichstätt um innerkirchliche Reformen. Wegen seines Eintretens für konfessionellen Ausgleich und die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit ernannte ihn Karl V. 1546 zum Vorsitzenden des Regensburger Religionsgesprächs. Er verwaltete den literarischen Nachlass seines Vetters Ulrich.
 
 2) Philipp von, Konquistador, * Königshofen i. Grabfeld um 1511, ✝ (ermordet) bei Coro (Venezuela) 18. 4. 1546 (nach anderen Angaben 24. 4.), Bruder von 1) und Vetter von 3); nahm 1535-38 am Entdeckungszug von G. Hohermuth ins Innere Venezuelas teil, wurde 1540 dort Generalkapitän; unternahm 1541-46 eine Expedition in das Orinocogebiet, wo er auf den Widerstand von Indianern stieß und im Herbst 1544 zur Umkehr gezwungen war. Er wurde auf dem Rückweg zusammen mit dem ihn begleitenden Bartholomäus Welser von dem Spanier Juan de Carvajal, der sich 1545 das Amt des Generalkapitäns von Venezuela verschafft hatte und durch die Rückkehr Huttens dessen Verlust befürchtete, ermordet.
 
 3) Ulrich von, Humanist und politischer Publizist, * Burg Steckelberg (bei Schlüchtern) 21. 4. 1488, ✝ Insel Ufenau 29. 8. 1523, Vetter von 1) und 2); aus fränkischem Reichsrittergeschlecht, bis 1505 in der Klosterschule Fulda erzogen, führte danach ein Vagantenleben an deutschen und italienischen Universitäten (u. a. Köln, Leipzig, Wittenberg; 1512/13 Padua, Bologna), wo er mit den dortigen Humanistenkreisen Kontakt aufnahm; diente aus Geldnot vorübergehend im Heer Maximilians I. In Italien entstanden erste lateinische Epigramme an Maximilian. 1516 nahm er mithilfe des Erzbischofs von Mainz seine Studien in Italien (Rom, Bologna, Ferrara) wieder auf. Gegen Herzog Ulrich von Württemberg, den er der Urheberschaft an der Ermordung seines Vetters Hans bezichtigte, veröffentlichte er lateinische Anklageschriften; 1519 war er an Ulrichs Vertreibung beteiligt. Am 12. 7. 1517 wurde Hutten von Kaiser Maximilian in Augsburg zum Dichter gekrönt, anschließend fand er am Hof des Erzbischofs Albrecht II. von Mainz eine feste Anstellung (August 1519 aufgegeben).
 
1514 hatte Hutten Anschluss an Reuchlin gefunden und Freundschaft mit Erasmus von Rotterdam geschlossen. Für Reuchlin arbeitete er an den Epistolae obscurorum virorum mit. Hutten entwickelte die Form des Dialogs sowohl in lateinischer als auch in deutscher Sprache zur Meisterschaft und stellte sie in den Dienst der reformatorischen Anliegen. Seine Polemik richtete sich v. a. gegen kirchliche Missstände und das Papsttum (»Vadiscus sive trias Romana«, 1519). Große Wirkung erzielte er auch mit der Herausgabe von L. Vallas Schrift, die die Konstantinische Schenkung als Fälschung entlarvte. Im Verein mit Luther und Franz von Sickingen setzte er sich für eine Reichsreform (starkes Kaisertum) ein, fand jedoch keine Resonanz. Sein eigenmächtiger Krieg am Mittelrhein nach Sickingens Tod (1523) schlug fehl, er sah sich zur Flucht gezwungen, überwarf sich mit Erasmus von Rotterdam wegen dessen Zurückhaltung gegenüber Luther und der Reformation und fand schließlich durch Zwingli ein Asyl auf der Insel Ufenau im Zürichsee, wo er wenig später starb.
 
Huttens humanistische Bildung, sein sprachliches Einfühlungsvermögen sowie seine publizistische Fähigkeit machten ihn seit seiner Wiederentdeckung durch J. G. Herder und dem Neudruck seiner Werke (1785) zunehmend zu einem Leitbild der studentischen deutschen Jugend des 19. Jahrhunderts (Wartburgfest) und in der Vormärzzeit zu einem Symbol freiheitlichen Denkens; er wurde auch als Vorkämpfer nationaler Einheit in Deutschland angesehen, v. a. wegen seines Dialogs »Arminius« (1519/20, veröffentlicht 1529). Sein Leben wurde verschiedentlich literarisch gestaltet (G. Herwegh, F. Freiligrath, A. H. Hoffmann von Fallersleben, C. F. Meyer).
 
Weitere Werke: Lyrik: Querelae (1510); Exhortatio (1512); Nemo (1516).
 
Prosa: Aula (1518); Gespräch buchlin (1521).
 
Ausgaben: Schriften, herausgegeben von E. Böcking, 5 Bände, 2 Supplement-Bände (1859-69, Nachdruck 1963); Die deutschen Dichtungen (1890-91, Nachdruck 1974); Deutsche Schriften, herausgegeben von P. Ukena (1970).
 
 
H. Grimm: U. v. H. Wille u. Schicksal (1971);
 W. Kreutz: Die Deutschen u. U. v. H. (1984);
 E. Bernstein: U. v. H. (1988);
 A. Brall: Die H.-Slg. der Hess. Landesbibliothek Fulda (1988);
 C. Gräter: U. v. H. (1988);
 F. Rueb: Der hinkende Schmiedegott Vulkan. U. v. H. (Zürich 1988).
 

Universal-Lexikon. 2012.

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